13. Februar 2018

Sonnenstunden


"Hallo, Bedienung! Hier kommt noch ein Cocktailglas mit Schirmchen hin!"

Sherlocks Operation liegt jetzt eine Woche zurück, und sein Fell wächst schon wieder. Vor allem aber sieht die Wunde einigermaßen gut verheilt aus; er scheint den Eingriff insgesamt ganz gut überstanden zu haben. Zwar war er von Anfang an erstaunlich mobil und rannte schon am ersten Tag mit den üblichen 80 Stundenkilometern die Treppe rauf und runter, aber seit seiner erneuten Internierung hatte er keinerlei Interesse an irgendwelchem Spielzeug gezeigt. Das hat er in den letzten zwei Tagen wieder richtig für sich entdeckt: Wenn der Büromensch jetzt ein Stück Filz an einer Angel über den Boden zieht, dann hat Loki das nicht mehr automatisch für sich.

Überhaupt muss Mr. Krawallo sich ein wenig mehr vorsehen. Sherlock lässt sich nicht mehr ohne weiteres vom Wassernapf wegdrängen oder geht automatisch rückwärts, wenn sich der Kleine nähert, so wie es am Anfang der Fall war. Jetzt gibt es auch schon mal Tatzenhiebe oder eine Verfolgungsjagd, die dann über Tische, Bänke, Sofas und zufällig im Weg sitzende Dosenöffner geht. Loki hat schlauerweise damit aufgehört, Sherlock ständig zu provozieren, und es ist spannend zu betrachten, wie er sich jetzt manchmal anschleicht und offensichtlich eine Attacke plant, dann aber doch respektvoll Abstand hält. Eifersüchtig ist Loki allerdings immer noch sehr: Wenn einer der beiden Menschen Sherlock krault, muss er sofort mit lautem Kampfschnurren dazwischen gehen, selbst wenn er gerade von dem anderen Menschen gestreichelt wird.

Ohnehin hat Loki, wie wir inzwischen festgestellt haben, zwei Schnurr-Modi: einen leisen, zufriedenen, der ganz selten nur mal ausgepackt wird, wenn der kleine Krawallo wirklich entspannt ist, und einen lauten, der offenbar in Stresssituationen der Selbstberuhigung dient. Und Stress gibt immer noch oft und viel für ihn - wenn ein Mensch in die Küche geht und dabei am Schrank mit dem Futter vorbeikommt, wenn überhaupt irgendwo irgendwer etwas Essbares auspackt, wenn man sich ihm unversehens nähert oder auch, wenn er selbst aus Neugier näher an seine Menschen oder auch an Sherlock herangeht, aber noch nicht ganz sicher ist, wie die Situation für ihn aussieht. Dass dann auch noch so viele schöne Dinge für ihn verboten sind - auf der Arbeitsplatte in der Küche herumlaufen beispielsweise, von der er manchmal im Minutentakt heruntergepflückt werden muss - macht es für ihn dabei nicht unbedingt leichter.



Viele andere Verbote sind allerdings schon längst wieder gefallen: Nachdem der Büromensch auch nach sechs Wochen noch immer keine Allergie-Anzeichen spürt (wer hätte das gedacht!), wird die Schlafzimmertür nicht mehr so streng bewacht. Nachts müssen die beiden nach wie vor draußen bleiben, aber tagsüber dürfen sie durchaus auch mal mit hinein. Ob Loki schon weiß, dass das, worauf er da gerade liegt, ein Koffer ist, und dass so ein Ding bedeutet, dass zumindest einer seiner beiden Menschen für einige Zeit verschwindet?