Kater Loki


Loki war vier Monate alt, als er im September 2017 irgendwo in Gettorf aufgegriffen und ins Kieler Tierheim Uhlenkrog gebracht wurde. Dort verbrachte er dann noch weitere vier Monate seines jungen Katerlebens, zwar eingesperrt auf zehn Quadratmetern drinnen und zehn Quadratmetern draußen mit wechselnden WG-Genossen, aber zumindest mit genug zu fressen und warm, was sicherlich eine deutliche Verbesserung seiner Lebensumstände bedeutete. Denn dass es eine Zeit gegeben haben muss, in der er schlimm gehungert hat, zeigt sich bis heute: Wenn Futterzeit ist, stürzt er sich sofort auf seinen Napf und ist in Sekundenschnelle mit seiner Mahlzeit fertig, und wenn keine Futterzeit ist, dann begleitet er trotzdem jeden Menschen in die Küche, weil ja immerhin die Chance besteht, dass es zwischendurch etwas geben könnte. Oder dass man einem Menschen vielleicht etwas klauen kann ...

Obwohl Loki bisher nur wenig Erfahrungen mit Menschen gehabt hatte, war er im Tierheim nicht ängstlich, allerdings biss er auch schon einmal zu, weil er schlicht nicht so recht wusste, wie man das Bedürfnis nach Kontakt am besten ausleben kann. Er ging seinen zukünftigen Menschen aber auch schon schnurrend um die Beine und machte auf seine eigene Art deutlich, dass er zu den beiden auch gern mit nach Hause wollte. Als er dann zum ersten Mal ein Menschenhaus erforschen durfte, war alles für ihn noch ganz neu - Türen, Treppen, Teppiche, Möbel. Die ersten Tage war er in ständiger Habachtstellung und traute sich kaum zu schlafen. Dass der große Sherlock dabei war, beruhigte ihn sichtlich.

Es dauerte allerdings nicht lange, bis Loki seine freche, neugierige Natur zurückgewann. Nach zwei Wochen kletterte er auf jeden Tisch und jedes Sofa, krabbelte in jedes offene Schrankfach und jede Schublade, knabberte frei hängende Lesefäden von Büchern, Kartons und Kissen an, erforschte alles am liebsten mit dem Maul und trippelte mit Vorliebe geräuschlos um die Füße seiner Menschen, die er mehr als einmal damit zu Fall brachte. In der ersten Zeit musste er draußen vor der Küchentür warten, wenn drinnen sein Fressen vorbereitet wurde, weil er sonst sofort auf den Tisch sprang, um Dose, Löffel, Napf und Mensch zu attackieren, während er ein ausdauerndes, helles Kreischen von sich gab, das erst nach und nach dunkler wurde und sich heute schon fast wie "miau" anhört. Inzwischen ist er allerdings schon wesentlich ruhiger geworden - zwar stellt er sich immer noch in einer köstlich o-beinigen Angriffshaltung an den Napf, die ihm den Spitznamen "Windelrocker" eingetragen hat, aber man kann ihm jetzt schon Leckerlis mit der Hand geben, ohne dass er jedes Mal danach krallt oder beißt. Auf den Tisch oder auf die Arbeitfläche in der Küche zu gehen, haben wir ihm allerdings noch nicht abgewöhnen können, und mit Loki im Raum zu essen ist für beide Parteien immer noch so stressig, dass er meist doch irgendwann wieder vor die Tür geschickt wird.

Inzwischen hat Loki mit seinem Büromenschen mit dem Clickertraining begonnen, das ihm enorm viel Spaß macht - klar, es geht ja um etwas zu fressen - und das er bisher prima bewältigt. Er hat sich sehr eng an seine Menschen angeschlossen, lässt sich gern streicheln und genießt die Nähe mehr, als wir am Anfang zu hoffen gewagt haben. Beim Freigang ist er noch vorsichtig und ein bisschen zögerlich, er bleibt meist im Garten in der Nähe der Katzenklappe und kommt oft zwischen seinen Ausflügen zurück, um sich zu versichern, dass seine Menschen noch da sind. Am liebsten würde er den ganzen Tag mit Sherlock spielen. Da der darauf allerdings nur bedingt Lust hat, spielt Loki auch allein, indem er seine Spielzeuge vom Kratzbaum kickt und sie bei beträchtlicher Lärmentwicklung durchs Wohnzimmer jagt. Ansonsten ist er überall da, wo es etwas Neues zu sehen gibt oder wo man vielleicht doch noch was zu fressen abgreifen könnte - wie sich das für einen halbstarken Krawallo so gehört.
(März 2018)