Blinzelwettbewerb

 

"He, Mensch! Es ist draußen hell! Siehst du hier nicht, ist mir schon klar, du hast ja noch die Vorhänge zugezogen. Willst du noch schlafen oder was? Ich habe Hunger! Und raus will ich auch! Was heißt das, Wochenende? Und was bitte ist eine Zeitumstellung? Ganz egal, ich habe jedenfalls jetzt Hunger! Pass auf, wir machen ein Spiel. Wer zuerst blinzelt, hat verloren. Und wenn du verlierst, stehst du auf und machst Frühstück. - Ha! Schon verloren! Mach mal dalli!"

Immerhin hatten wir Loki in den letzten Tagen von sechs oder viertel nach sechs auf halb sieben hochgehandelt, so dass er dann heute Morgen pünktlich um halb sechs damit begann, erst sanft und schließlich ziemlich energisch an der Tür zu kratzen. Da wir allerdings unsere innere Uhr auch noch nicht umgestellt haben, war das nicht ganz so schlimm.

Gastauftritt #2

"Leute, ich hatte mir ja schon richtig Sorgen gemacht, weil meine Menschen so viel von diesen beiden Jungs hier erzählen. Aber sie haben mir versichert, dass Sammy - das ist der Rote - und Rocky - das ist der Graue - bei ihrer Freundin Erika eingezogen sind und da auch bleiben sollen. Und wollen. Die sehen aber irgendwie auch ganz nett aus. Klein und niedlich, 12 Wochen alt. Sie haben dringend ein Zuhause gebraucht, weil ihre alleinerziehende Mutter einen Tag vor ihrer Geburt bei Nachbarn von Erikas Nichte Unterschlupf gesucht hat und sie gewissermaßen nicht so richtig geplant waren (aber wer von uns ist das schon?). Für die beiden ist es toll, dass sie gleich bei einem Menschen einziehen durften - dann mussten sie schon mal nicht so hungern wie ich in meinen ersten fünf Monaten, bis man mich ins Tierheim gebracht hat.

Der Außer-Haus-Mensch hat schon ein paar mal gefragt, wie ich denn Kitten finde. Ich hoffe, trotz ihrer begrenzten Kätzisch-Kenntnisse hat sie verstanden, dass ich laut und deutlich gesagt habe: An sich okay, aber hier in meinem Haus bin ich Graf Katz und absoluter Alleinherrscher. Klar, könnte vielleicht lustig sein, so zwei Wibbel großzuziehen - die beiden da machen wohl noch jede Menge Quatsch, habe ich gehört. Aber irgendwann sind die ja auch groß, und dann würden sie mir womöglich was von meinem Futter wegfressen, und schon hätten wir Streit. Nee nee. Meine Menschen können da ja gerne hinfahren und mit den beiden spielen - aber dann müssen sie nach Hause kommen und wieder nur für mich da sein!"

Entspannter Alltag

"Naaaaa, Sherlock? Alles im Lack, oder bist du sauer, weil ich dich neulich angerüffelt hatte?"
Ach was, kleiner Loki. Aber ich sehe schon, ich werde hier nicht mehr so viel gebraucht wie früher, du hast dein Leben gerade ziemlich gut auf der Reihe.
"Naja, es ist schon ziemlich gemütlich, so, wie es gerade ist. Guck mal, der Büromensch hat eine neue Decke gekauft, extra für mich. Die legt sie über ihren Schoß, und dann kann ich noch viel gemütlicher darauf liegen und rutsche auch nicht zwischen ihren Knien weg, wenn sie sich mal bewegt. Und warm ist die! Und flauschig! Man kann auf der super treteln, das hast du doch auch immer gern gemacht!"
Tatsächlich, die sieht sehr gut aus. Wahrscheinlich möchte sie sich noch irgendein Paar Jeans ohne Ziehfäden erhalten, hihi.
"Spielst du auch auf meine Krallen an? Ich habe das Gefühl, die wollen mich noch so richtig erziehen in der Hinsicht ..."
Ich habe doch immer schon gesagt, Menschen haben ganz dünne Haut. Und nachdem du dich inzwischen am Bauch kraulen lässt und auf dem Schoß schläfst, halten sie offenbar nichts mehr für unmöglich.
"Hm. Ich finde ja, Krallen vereinfachen ganz viele Dinge, und wozu hat man die als Kater, wenn man sie dann doch nicht einsetzen darf ..."
Der Büromensch hat sich beklagt, weil du neulich ihre Kopfhaut perforiert hast.
"Ach, da wollte ich sie nur wecken, sie hatte mir schon die Schlafzimmertür aufgemacht und war dann einfach wieder eingepennt, ohne mich zu füttern!"
Wenn du da nächstes Mal nur die Tatze für einen sanften Stups nimmst, dann reicht das auch.

"Hm. Ich finde eigentlich, es ist alles gut so, wie es gerade ist, und da muss ich auch nichts Neues lernen! Es kann doch alles einfach mal so bleiben. Mir tut nichts weh, sie haben mich ewig nicht zum Tierarzt geschleppt, ich kriege weniger Pillen, und draußen ist auch viel weniger Stress, seit der olle Moby weg ist ..."
Der fehlt dir gar nicht, was?
"Ganz ehrlich? Nö. Kein bisschen. Die Menschen waren furchtbar sentimental wegen dem. Aber ich finde es einfach nur angenehm, dass mir keiner mehr in den Nacken springt, wenn ich aus der Klappe rauswutsche. Der war ja fürchterlich aggro, der alte Knacker. Jetzt hängt er wahrscheinlich bei euch rum, bei dir und diesem Schleichi, oder?"
Manchmal. Schleichi und er waren richtig gute Kumpels.
"Den könnt ihr geschenkt haben. Endlich macht mir mein Revier keiner mehr streitig! Timmy darf ja gar nicht mehr raus - hihi, bei dem gucke ich jetzt hin und wieder ins Fenster, so wie er früher bei mir! Und das regt ihn so auf! Hihihihi!"
Vorsicht, kleiner Loki. Schadenfreude ist kein netter Zug.
"Och komm, jetzt mach mal nicht auf moralisch, Sherlock! Nee nee, ich bin zufrieden. Von mir aus dürfen mich die Menschen auch am Bauch streicheln, so relaxt bin ich. Obwohl ich ja in letzter Zeit doch ein bisschen alarmiert war, als ich morgens plötzlich nach dem Frühstück nicht mehr nach draußen durfte."
Ach, weil es morgens jetzt noch so dunkel ist?
"Ja, ich glaube, daran liegt das. Erst dachte ich, sie wollten mich wieder zum Tierarzt schleppen, da bin ich erst mal runter in den Keller, aber dann haben sie mich später einfach nur gerufen und die Tür aufgemacht, ohne dass ich in die Box musste. Das war jetzt schon ein paar mal so. Von daher bin ich damit jetzt auch cool. Hauptsache, es gibt morgens zügig was zu fressen."
Dir schmeckt's auch noch?

"Was ist das denn für eine Frage? Natürlich! Bei mir bleibt noch immer nichts übrig! - Bloß eins macht mir ein bisschen Sorge ..."
Was denn?
"Hast du bei den Menschen in letzter Zeit mal so zugehört? Planen die irgendwie, sich noch eine Katze zuzulegen? Dauernd reden sie von zwei Kitten, die sollen aber doch nicht hier einziehen, oder?"
Ach, meinst du Sammy und Rocky?
"Ja! So heißen die!"
Nein, die wohnen bei ihrer Freundin. Die früher zwei Ladys hatte, Charly und Lilli, die müssen auch hier oben bei uns irgendwo sein ...
"Und du bist sicher, dass die nicht hierher sollen? Die Menschen haben dauernd erzählt, wie niedlich die sind!"
Meine Güte, Loki, sei doch nicht immer so eifersüchtig.
"Das wäre gerade so mein Pech, da bin ich den ollen Moby los, da kommen zwei neue!"
Nein, mach dich mal locker, da ist wirklich nichts geplant.
"Echt? Puh, da bin ich erleichtert, das ist gerade so schön bei uns ... Warum macht man sich bloß immer umso mehr Sorgen, je schöner es gerade ist, Sherlock?"
Isso, kleiner Loki ...

Käse und Erziehung

"Sag mal, Mensch, versuchst du jetzt irgendwie, mich zu erziehen? Weil du diesen komischen Martin Rütter im Fernsehen gesehen hast, oder was? Das ist ein Typ, der sich mit Hunden beschäftigt! Der hat doch null Ahnung! Schon allein diese Frage, 'Wer bestimmt, was jetzt passiert?' - Ja, wer wohl? Der Kater natürlich. Das ist doch klar! Was Hunde sich alles bieten lassen, das hat doch mit unserem Verhältnis nichts zu tun.

Ich meine, wenn ich reinkomme, dir um die Beine gehe und 'eeeeoooowww' mache, dann verstehen wir uns doch. Dann möchte ich, dass du den Schrank aufmachst und mir was Leckeres rausholst. Und weil du mich gern hast, tust du das auch. Das ist doch ein völlig anständiger Deal. Und wenn du ein Stück Käse in der Hand hast, dann darf ich mir das holen. Weil es Käse ist und weil ich ein Kater bin, der Käse liebt. Ist doch klar! Und wenn ich dabei zufällig so ein bisschen in deine Hand kralle, weil dieser Käse so furchtbar lecker riecht, dann ist das nicht böse gemeint, dann möchte ich einfach nur, dass es schneller geht mit dem Servieren. 

Dass du dann den Käse einfach wieder wegpackst, das hatten wir ja noch nie. Das finde ich auch nicht gut! Wahrscheinlich willst du mir damit sagen, dass ich ab jetzt nur noch dann Käse kriege, wenn ich ihn ganz sanft aus deiner Hand nehme? Klar habe ich das verstanden, ich bin ja nicht schwer von Begriff. Aber ob ich das so akzeptieren will? Mit Kralle geht beim Essenfassen immer besser, schon allein draußen, bei den Mäusen!"

Loki ist nicht damit einverstanden, dann der Büromensch seit neustem meint, auch nach zweieinhalb Jahren könnte man an der Beziehung noch bin bisschen feilen.

Wir müssen reden, Sherlock!

 

"Duuu, Sherlock? Wir müssen mal reden, glaub ich."
Oha, kleiner Loki. Das hört sich aber ernst an.
"Naja ... manchmal frage ich mich, ob das, was du mir so beigebracht hast, immer so stimmt."
Äh ... wieso denn das auf einmal?
"Du hast doch zum Beispiel immer gesagt, für große Kater wäre es total doof, auf einem Menschenschoß zu liegen. Das wäre ungemütlich und unpraktisch und überhaupt könnte man sich ja auch auf die Unterlage nicht verlassen, weil Menschen immer so unruhig wären und so."
Hab ich das so gesagt? Mein Ding war das halt nicht. Ich hatte nie Menschen, bei denen ich das wirklich gewollt hätte, und ja, ich finde, wenn man eine gewisse Größe hat, dann ist das einfach nicht bequem.
"Aber du, das stimmt überhaupt nicht! Der Büromensch und ich, wir probieren das jetzt schon seit einigen Tagen ausgiebig aus, und du, das ist total schön! Das hätte ich ja schon viel eher haben können, wenn du mir das nicht so madig gemacht hättest."
Moooment, kleiner Loki. Ich habe nur gesagt, man muss vorsichtig sein mit Menschen, die lassen sich schlecht berechnen, man weiß nie wirklich, was die im nächsten Augenblick vorhaben, und besser aufgehoben ist man auf alle Fälle mit etwas Abstand. Sofas sind doch auch gemütlich. Und Höhlen aller Art.
"Höhlen find ich doof. Der Büromensch hat schon wieder so'n komisches Teil gekauft, da ist die Kratzfläche draußen ganz nett, aber diese kleinen Löcher, aus denen man gar nicht schön rausgucken kann, sind überhaupt nicht meins."
Du liegst jetzt also lieber auf Menschenbeinen?
"Jepp. Jeden Abend. Der Büromensch bietet mir da immer so eine schöne Kuhle, da kann ich mich an die Armlehne kuscheln und rutsche dann auch nicht weg, das geht richtig gut. Am Anfang musste sie ihre Beine immer auf den Sessel ziehen, damit ich ganz sicher liegen kann, aber inzwischen krieche ich auch auf ihren Schoß, wenn sie ganz normal im Sessel sitzt, und lege mich ganz breit über ihre Beine. Das ist so schön warm, und sie krault mich, und wir sind ganz nahe beieinander, das ist richtig klasse."
Aha. Wer hätte das gedacht.
"Siehste mal, du weißt eben doch nicht immer alles."
Hab ich ja auch nie behauptet. Und es ist ja auch gut, dass du deine eigenen Erfahrungen machst. Dafür bist du ja auch allmählich alt genug.
"Isso, Sherlock! Hihihi ..."

Krallimann

"Was?  Nur ein kleiner Rückfall ...
Das überkam mich gerade so ..."

Als Loki zu uns kam, war sein Krallreflex noch sehr ausgeprägt: Offenbar hatte ihm als kleinem Kater niemand beigebracht, dass das im Zusammenleben zwischen Mensch und Katze gar nicht so nötig ist und vielmehr zu Missverständnissen führen kann. Wir haben seitdem versucht, ihm zu vermitteln, dass Menschen ganz dünne Haut haben und einer Vier-Pfoten-Attacke mit komplettem Besteck nicht gewachsen sind. Über das letzte Jahr sind solche Reaktionen bei ihm allerdings viel seltener geworden - was allerdings auch ein bisschen daran liegt, dass wir inzwischen wissen, wann er gern zupacken würde, und ihn dann in Ruhe lassen. Und wenn es dann doch noch mal vorkommt, dann kann man sich inzwischen auch viel leichter aus seinem Griff befreien.

Manchmal möchte er einfach nur die Menschen festhalten, die er ganz besonders gern hat. Wie seine Donnerstagsfrau. Diesmal gab es zumindest keine Blutspuren ...

Yoga

 

"Na, Mensch? Wolltest du nicht mal Yoga machen? Ich sag dir aber, das, was man da als 'Die Katze' bezeichnet, ist Kinderkram. Diese Position hier ist sehr entspannend. Ich nenne sie Vier Himmelsrichtungen. Na gut, ist ein bisschen gemogelt, aber auch nicht weiter hergeholt als dieser ganze Seich von 'Der Krieger' oder 'Aufgehende Sonne' oder was es da so gibt. Nur so als Tipp für Zweibeiner: Wenn man keinen Schwanz hat, kann man das Kinn einfach auf dem Teppich ruhen lassen. Aber probiere das vielleicht nicht gleich jetzt, ich hätte in einer Dreiviertelstunde nämlich gern was zu fressen, und ob du dich bis dahin wieder auseinandergeknotet hättest, dafür will ich nicht garantieren ..."