30. September 2019

Jäger


"Eeeeooowwww! Eeeeeeoooowwwwww! Duuuuu, Mensch! Nun guck doch mal! Ja, ich bin wieder drin, aber du weißt doch, wenn ich so richtig ausdauernd maunze, dann will ich nicht nur Bescheid sagen, dass ich zuhause bin, sondern bringe Beute mit! Guck mal! Eine Maus! Na klar ist die tot, ich weiß doch, was sich gehört. Keine Angst, ich schleppe dir keine lebenden rein und lasse die hier frei, ich habe die ja nicht aus Spaß gejagt. Na gut, so'n bisschen. Aber ich will die vor allem auffressen. Mir schmeckt's nämlich wieder so richtig. Meinen Frühstücksteller habe ich schon vor einer Stunde blankpoliert, und das Knabberstäbchen vorhin war ja auch nicht sooo riesig. Davon abgesehen ist Frischware sowieso immer noch mal was anderes.
Ich lasse es mir dann auch mal hier auf der Matte schmecken, du sagtest doch neulich noch, die könnte man waschen, falls es ein bisschen blutiger wird. Alles klar? Möchtest du vielleicht auch? Nein? Na, dann ist gut. Ich gewöhne mich nämlich auch gerade daran, dass niemand mir mein Fressen streitig macht ..."

25. September 2019

Arbeiten



Was den Posten des Bürokaters anging, so hatte den ja bislang immer Sherlock ausgefüllt, der morgens von draußen reinkam, eine Kleinigkeit frühstückte und dann zielstrebig die Treppe in den ersten Stock hinauftigerte: Sherlock ging zur Arbeit.

Seit er nicht mehr da ist, war die Stelle gewissermaßen vakant - Loki hielt sich, so wie es seine Gewohnheit gewesen war, die meiste Zeit im Erdgeschoss auf, rannte vormittags gerne raus und rein und legte sich nachmittags ins Erkerfenster oder aufs Sofa, um Moby zu bewachen. Den Kratzbaum, auf dem Sherlock so gern gelegen hatte, mied er zunächst. Schließlich kamen wir auf die Idee, den ganzen Baum ein wenig zu versetzen und in einem anderen Winkel zum Fenster aufzustellen, sodass Loki mit den drei Schlafplätzen einen neuen Anfang machen konnte, und wir verlockten ihn mit Leckerlis zum Herumklettern, was er auch gern annahm.

In den letzten Tagen hatte er sich zumindest wieder mit der Hängematte angefreundet, in der er sonst auch schon gern gelegen hatte. Heute dann, mit Beginn des grauen Herbstwetters und ordentlich Regen, hat Loki tatsächlich mal den halben Tag bei seinem Menschen im Büro verbracht, wechselweise auf dem Kratzbaum oder auf dem Fensterbrett, und das offenbar genossen - genau wie sein Mensch, der sich über die kätzische Gesellschaft sehr gefreut hat.


Noch schöner ist, dass Loki allmählich auch wieder zu seiner 100-Gramm-Futter-in-30-Sekunden-Form zurückfindet. In der letzten Woche hatte er seine Mahlzeiten ja immer in mehrere Etappen vertilgt, etwas, das wir sonst von ihm gar nicht kannten, aber was er sich jetzt als Einzelkater natürlich auch problemlos leisten kann. (Nicht, dass Sherlock ihm je was weggefressen hätte. Aber man konnte ja nie wissen.) So oder so, wir freuen uns, dass er wieder Hunger hat - und bei den abendlichen Spielerunden mit dem Außer-Haus-Menschen auch wieder ordentlich den Krawallo raushängen lässt.

24. September 2019

Versteck


Loki! Loki? - Wo steckst du denn?
"Pssst! Hier unten! Im Keller!"
Hinter der Heizung? Wieso das denn?
"Hier kriegen sie mich nicht raus, wenn ich nicht will! Früher bin ich ja immer unters Gästebett, aber das ist gar nicht so sicher, wie ich immer dachte - da hat mich der Büromensch neulich doch zu fassen bekommen und rausgezogen, als sie schon wieder mit mir zum Tierarzt wollten ..."
Äh ... ja und? 
"Ich soll doch wieder in die Box!"
Sagt wer?
"Na, sie haben mich nicht gleich gefüttert, als sie aufgestanden sind, und die Klappe war auch zu! Das weißt du doch auch noch, wenn das so ist, dann müssen wir zum Tierarzt!"
Jetzt ist jedenfalls außer dir keiner mehr da, die Menschen sind beide weggefahren.
"Echt?"
Echt.
"Hm. Ja, dann ..."
Kleiner, du musst dich mal ein bisschen beruhigen. Solange du richtig frisst, musst du nirgendwo hin. Ich denke, es hat einen anderen Grund, wenn die Klappe nicht gleich nach dem Aufstehen aufgemacht wird.
"Was denn?"
Na, es ist jetzt noch dunkel draußen, wenn sie aufstehen. Und du sollst im Dunkeln ja nicht raus.
"Ja, damit ist es ihnen furchtbar ernst, aber das ist ja auch deine Schuld. Du hättest nachts auch drinbleiben können, und dann wäre dir auch nichts ..."
Das müssen wir jetzt nicht diskutieren, Loki, okay? Ich war nicht so der Drinbleiber.
"Und ich kann das gar nicht entscheiden, aber naja, so schlimm isses nicht. Abends ist es auch am lustigsten bei uns, da sind die Menschen beide zuhause, und dann spielen sie mit mir. Gestern hat mich der Außer-Haus-Mensch die Quietschmaus jagen lassen, die mit den Federn dran. Sieht ja völlig bescheuert aus, so eine Maus mit Federn, aber das macht so einen Spaß, hinter der herzurennen, und dann durfte ich auch noch ein Platzdeckchen zerknüllen und mit den Pfoten bearbeiten, das war klasse!"
Na also. Wieso sollten die beiden dann so fies zu dir sein?
"Ich weiß ja auch nicht. Mann, ich habe jetzt aber auch richtig Hunger ... Ist echt keiner oben?"
Nein. Und überhaupt, deine Transportbox steht doch dahinten vorm Regal. Wenn sie die nicht geholt haben, dann sollst du auch nirgendwo hin.
"Na, okay, dann geh ich mal ... Du bist immer so schlau, Sherlock ..."
Isso, kleiner Loki.

20. September 2019

Pille

Anruf vom Tierarzt: Die letzten Untersuchungen haben ergeben, dass Loki zu allem anderen auch noch Würmer hat. Wenig überraschend bei einem Freigänger und Mäusefänger, und tatsächlich liegt die letzte Wurmkur schon wieder ein bisschen zurück. Nun hatte ich mir bei einem der vielen jüngsten Tierarztbesuche endlich einmal zeigen lassen, wie man Pillen verabreicht, wenn man sie nicht kleinmörsern und ins Futter mischen kann, und in der Praxis schon einmal den Griff geübt, mit dem man ein Katzenmäulchen aufklappt, ohne dass es Verletzte gibt.

Tatsächlich hat das Schleichteam diese kleine Hürde gut gemeistert: Ein Mensch hält Loki fest, der andere fasst mit dem gelernten Zwei-Finger-Griff an der Stelle zu, wo die Zähnchen am kürzesten sind, zieht die Kiefer auseinander und wirft die Wurmkur-Pille mit viel Schwung möglichst weit nach hinten auf die Zunge. Und um sicherzugehen, dass Loki sie nicht gleich wieder mit Schwung ausspuckt, sobald der Mensch die Finger wegnimmt, haben wir mit einer kleinen Spritze zehn Milliliter Wasser hinterhergeschickt.

Loki fand die Prozedur entwürdigend und verkrümelte sich beleidigt in den Keller, um ein halbes Stündchen zu schmollen, aber alles in allem hat das Ganze erstaunlich gut geklappt. Die Pille ist geschluckt, und das alles ohne Tierarzt. Puh. Jetzt muss sie nur noch wirken; wir hoffen, dass Lokis Appetit dann auch wieder ganz hergestellt ist, wenn er parasitenfrei ist, denn im Moment lässt er sein Abendessen doch noch ziemlich oft liegen, auch wenn er ansonsten schon wieder einen ganz aufgeweckten Eindruck macht.

Du, Loki ...



Du, Loki ...
"Huah!!! Was?! Bist du das, Sherlock?"
Gewissermaßen.
"Hä? Aber wie denn, ich meine, du bist doch ... die Menschen haben gesagt ..."
Stimmt ja auch. Aber du sitzt in meinem Nest, da muss ich doch mal was dazu sagen dürfen.
"Wo steckst du denn, ich seh dich gar nicht ..."
Hauptsache, du hörst mich. Der Schleichmeister hat mir gezeigt, wie das funktioniert, dass man bei euch nach dem Rechten sehen kann. Er war auch ganz froh, dass ich mich jetzt um euch kümmere, er wird bei seinem früheren Hauptmenschen in Thailand gebraucht, sagt er, der hat einen kleinen, roten Kater, der wohl auch noch einen Aufpasser braucht.
"Und jetzt spionierst du mir die ganze Zeit hinterher, oder was?"
Bleib mal geschmeidig, Kleiner. Ich dachte, du freust dich vielleicht?
"Tu ich ja auch. Ich hab mich bloß erschreckt. Und überhaupt haben die Menschen den Kratzbaum woanders hingestellt, das ist genau genommen gar nicht mehr dein Nest."
Wenn du es so siehst ... Es ist aber sowieso okay, dass du dich da einrichtest. Schließlich muss ja irgendwer Bürodienst machen, du kannst unseren Menschen doch nicht dauernd allein da sitzen lassen.
"Ja, aber ich muss tagsüber auch viel raus! Nachts machen sie mir nämlich die Klappe zu."
Klar, aber so ein Stündchen oder zwei kriegst du ja wohl hin.
"Sicher, wenn du meinst ..."
Geht's denn langsam wieder?
"Einigermaßen. Es ist schon ganz schön öde ohne dich. Dabei warst du ja immer viel unterwegs und wolltest deine Ruhe haben, aber Menschen lecken ist nicht halb so schön wie Katzen lecken, die haben ja so wenig Fell. Und mit mir kämpfen wollen sie gar nicht."
Die haben zu kurze Krallen, Loki. Denen bist du sowas von überlegen, das macht ihnen natürlich keinen Spaß.
"Hm. Naja. Aber kuscheln kann man ja schön mit ihnen. Das habe ich auch ganz schön gebraucht, die letzten Wochen ging mir das gar nicht gut, du ..."
Ja, habe ich mitbekommen. Das wird schon wieder. 
"Klar. Hauptsache, ich muss nicht schon wieder zu der Frau, die mich immer piekt. Die sind jeden Tag mit mir da hin! JEDEN TAG! Egal, wo ich mich versteckt habe! Erst dachte ich, unterm Gästebett wäre ich sicher, aber da sind sie dann auch druntergekrochen und haben mich rausgezogen, und hinter der Heizung im Keller haben sie mich auch erwischt ..."
Das war aber auch besser, kleiner Loki. Du hast ja Medizin gebraucht. 
"Die hätten sie mir aber doch auch hier geben können! Dauernd musste ich in diese schreckliche Kiste!"
Weil du nicht gefressen hast.
"Wenn mir doch so übel war. Du, aber ich durfte im Bett schlafen, als es mir so ganz schlecht ging! Zwei Nächte lang! Obwohl ich in der einen Nacht einen Haarball aufs Laken gespuckt habe. Wollte ich ja gar nicht, aber überkam mich so ..."
Die sind schon ganz schön hart im Nehmen, unsere Menschen.
"Meinst du? Als ich jetzt wieder angefangen habe, ihre Füße zu jagen, musste ich doch wieder auf dem Sofa pennen. Aber wenn ich ehrlich bin, eigentlich finde ich das auch besser."
Siehste. Dann wird das doch so langsam bei uns. Kommt Moby zurecht?
"Keine Ahnung. Ich rede nicht mit dem. Unser Büromensch hat den heute gestreichelt! Obwohl der mich immer noch verhaut!"
Der hat ein hartes Leben, Loki. Tagsüber lässt den zuhause nicht immer jemand rein, eine Klappe hat er auch nicht, mit diesem Timmy versteht er sich nicht ... 
"Nicht mein Problem. Der kann woanders rumliegen als auf meiner Terrasse."
So verkehrt war der gar nicht. Ich mochte den irgendwie.



"Kannst du dir ja auch leisten, so eine Einstellung. Als Geistererscheinung verkloppt er dich ja auch nicht. - Ich geh mal wieder eine Etage tiefer in meine Hängematte - die finde ich immer noch besser als dein Nest, und die hängt jetzt halb über der Heizung, das ist auch sehr nett."
Dann noch gute Besserung, Kleiner. Ich geh jetzt eine Runde Mäuseskat spielen mit ein paar Kollegen ...



Ein neuer Anfang

"Du meinst, du hast hier seit zwei Monaten nichts mehr aufgeschrieben?
Und die Leute wissen gar nicht, was ich alles erlebt habe?"
Jetzt ist es zwei Monate her, dass wir beim Schleichteam nur noch zu dritt sind. So sehr wir unseren großen Grauen immer noch vermissen, stellt sich doch allmählich eine neue Routine für unser Zusammenleben ein. Loki hat eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass abends keiner mehr durch die Katzenklappe reinschwuppt und zu seinem Fressnapf trabt, und er hat vor allem draußen immer wieder zu dem Korb mit dem Anmachholz hochgeblickt, in dem sich Sherlock so gern eingerollt hatte.
"Gibt's ja gar nicht.
Jetzt schreib aber mal wieder!"
Tatsächlich aber wird Sherlock vor allem von Moby vermisst. Offenbar hatten die beiden grauen Herrn einen besseren Draht zueinander, als wir vermutet hatten.

Das Schleichteam wächst jetzt auf andere Weise zusammen. Loki ist sehr viel schmusiger geworden und sucht intensiver unsere Nähe; da er keinen Katzenkumpel mehr zum Ablecken und Bespielen hat, müssen wir verstärkt einspringen, was wir natürlich auch gern tun. Die nächtliche Ausgangssperre, die für Loki ja immer schon galt, bringt ein wenig mehr Struktur und Ruhe in die Abende - ab dem Abendessen ist die Klappe zu, und Loki findet das in der Regel völlig unproblematisch. Natürlich sind wir trotzdem immer in Sorge, dass Loki an der Bundesstraße etwas passiert, an der Sherlock verunglückt ist, aber wir hoffen darauf, dass er sich an den tagsüber viel befahrenen Verkehrsweg gar nicht so heranwagt, und dass er mit dem vielen weißen Fell auch besser zu sehen ist.

Sherlock war, wie wir inzwischen von etwas weiter entfernt wohnenden Nachbarn erfahren haben, offenbar wirklich ausgesprochen furchtlos - er hat sich sogar in Hundezwinger gewagt und ist dort einmal wohl nur durch einen heroischen Zwei-Meter-Sprung über einen Zaun mit dem Leben davongekommen. Vor Autos hatte er auch viel zu wenig Angst. Loki hingegen flüchtet draußen vor Hunden, fremden Menschen, den meisten anderen Katzen und allem, was Lärm macht oder sich schnell bewegt. Vielleicht führt das aber dazu, dass er seine sieben Leben nicht ganz so unbedacht aufs Spiel setzt.

Auch sonst waren die letzten zwei Monate für Loki nicht einfach. Seine Menschen waren kurz in Urlaub, hatten ihn allerdings in der Obhut der halben Nachbarschaft zurückgelassen, die sich ausgiebig um ihn gekümmert und ihn auch bespielt und gekrault hat, damit er sich nicht ganz so allein fühlen musste. Das hat gut funktioniert, obwohl vorher prompt die schöne zeitschaltuhrgesteuerte Katzenklappe ihren Geist aufgab, sodass das uralte, noch per Hand zu bedienende Modell wieder her musste, das unsere Nachbarn dann netterweise morgens auf- und abends wieder zugemacht haben, damit unser Kleiner nachts nicht verloren geht.

Wir waren dann gerade ein paar Tage wieder da, als Loki krank wurde - Durchfall, Übelkeit, Appetitlosigkeit, immer das größte Alarmzeichen bei unserem kleinen Krawallo, der normalerweise nichts so sehr liebt wie Fressen. Wie sich herausstellte, hatte er eine Bauchspeicheldrüsenentzündung und gleich auch noch eine Darmentzündung, was dazu führte, dass wir eine Woche lang jeden Tag mit ihm zum Tierarzt mussten, damit er die nötigen Spritzen bekam. Folter für ihn, der ja nichts so hasst wie die Transportbox.

So muss das aussehen, wenn Mensch und Katze glücklich sind:
Ein blankgeputzter Nassfutter-Teller, und Loki mit der Nase tief
in der Schüssel mit dem Trockenfutter ...
Inzwischen hat er sich wieder einigermaßen erholt. Zwar ist er beim Fressen noch nicht ganz wieder der Alte, aber er geht wieder mit Vergnügen nach draußen, jagt nach Fingern und Füßen seiner Menschen, hat Lust auf das Spielen mit Rasselbällen oder Federangeln und kuschelt schnurrend auf dem Sofa. Der Büromensch mit seiner Hubschraubermentalität beobachtet immer noch mit Argusaugen, ob sich nicht doch noch ein Rückfall ankündigt, und bricht bei jedem liegengelassenen Stück Trockenfutter in Schweiß aus. Aber da muss er durch.

Trotzdem hoffen wir jetzt, dass es bald wieder neue lustige Geschichten von unserem Krawallo zu erzählen gibt. Bei allen Schwierigkeiten hatten wir auch in den letzten Wochen viele schöne Momente. Und ein Schleichteam sind wir immer noch - auch wenn die Vierbeiner aus dem Off inzwischen in der Überzahl sind ...