14. August 2018

Oscarverdächtig


„Duuuu, Sherlock?“
„Was?“
„Danke. Für die Eskorte, mein ich. Ich war ja auch schon auf dem Weg …“
„Schon gut, Kleiner. Ich wollte nur sichergehen, dass du nach Hause kommst, bevor es hell wird. Die Menschen haben sich ziemlich aufgeregt, weißt du.“
„Aber Katzen sind doch manchmal so, dass sie über ein paar Stunden wegbleiben. Machst du doch auch.“
„Inzwischen ja nur noch ganz selten. Du hast den Wald als Revier entdeckt, hm?“
„Ja! Da gibt es Mäuse! Jede Menge! Und ganz verschiedene Größen und Sorten! Überall läuft was und raschelt … das ist toll! Aber auch ganz schön gruselig, da kam auf einmal so ein braunes Riesentier, das ist über mich weggesprungen, und ich hab mich so erschreckt …“
„Braunes Riesentier? Bären gibt’s hier nicht.“
„So’n schlankes mit langen Beinen, so abgewinkelten Ohren und großen Augen.“
„…? – Ach, ein Reh! Mann, Loki! Wie kann man denn vor Bambi Angst haben!“
„Sowas hab ich noch nie gesehen! Und jetzt sag mir nicht, die gab’s bei euch in Mettenhof!“
„Nö, die habe ich hier auch das erste Mal kennengelernt. Die tun aber nix.“
„Sagst du!“
„Ist auch so.“
„Naja, ich hab mich dann ganz klein gemacht, und als ich mich gerade beruhigt hatte, kam Otto, und er hatte das schwarze Monster mit …“
„Okay, dem ist nicht zu trauen. Otto schon, der ist ja ein Netter und füttert uns ja auch, wenn die Menschen weg sind, aber das schwarze Monster ist gemeingefährlich. Vor dem muss man Abstand halten.“
"Ich habe gedacht, er sieht mich vielleicht gar nicht, aber das schwarze Monster riecht mich natürlich. Und dann dachte ich, besser stillliegen als abhauen, nachher setzt da so richtig der Jagdinstinkt ein und ich muss noch auf einen Baum klettern oder sowas."
"War offenbar eine oscarverdächtige Leistung, Otto hat jedenfalls schon gemeint, du wärst verletzt oder tot. Deswegen ist ja unser Büromensch so in Panik geraten. Du hättest sie aber ja auch an dich rankommen lassen können."
"Wann?"
"Na, als sie dich im Wald gesucht hat, du Dussel!"
"Hat sie?"
"Du bist vor ihr weggelaufen, haben die Menschen gesagt. Mann, was war das für eine Hektik. Ich wollte eigentlich ein ganz ruhiges Schläfchen im Arbeitszimmer halten, und schon wieder ging es nur um Herrn Loki und was er jetzt schon wieder angestellt hat ..."
"Die war nicht im Wald."
"Doch, ein paarmal. Hat dich gerufen und gelockt."
"Hm, da war was Großes, als die ganzen Zweige so gruselig geknackt haben. Und nachher sogar zwei, als es so geregnet hat und ich dieses schöne Versteck unter der dicken Tanne hatte."
"Jahaaa. Ganz genau. Völlig gestresst sind die beiden ins Bett, weil sie dich nicht gefunden haben. Deswegen bin ich ja losgetigert und dachte, ich guck mal, wo du steckst, die glaubten nämlich schon, du hättest null Orientierung."
"Aber wieso denn, der Wald ist doch nur ein paar Meter von den letzten Häusern entfernt, da kenne ich mich doch aus."
"Das wissen die doch aber nicht."
"Hm."
"Menschen sind so, Loki. Die haben so ganz eng gesteckte Zeitbegriffe. Die denken, wenn du mal fünf Minuten lang nicht nach Futter gebettelt hast, dass dir was fehlt. Die können sich dann auch nicht vorstellen, dass man auf der Jagd mal ein bisschen länger braucht, weil es einfach gerade spannend ist."
"Hm."
"Mach ihnen das mal ein bisschen einfacher."
"Du bist gerade der Richtige, mir hier Vorträge zu halten, wer ist denn früher immer abgehauen und wer hat denn jetzt diese flexiblen Frühstückszeiten!"
"Zwei von der Sorte können die Menschen jedenfalls nicht gebrauchen. Ich bin der Outdoor-Spezialist, und du bist der Gartenkater." 
"Wer hat das denn festgelegt?"
"Gewachsene Struktur, kleiner Loki. Isso."