25. Dezember 2018

Ruhe im Karton


"Duuu, Sherlock ... - Hä? Wo bist du denn überhaupt?"
"Hier."
"In dem Karton?"
"Yepp."
"Wieso das denn?"
"Einfach so. Ist doch gemütlich hier!"
"Ach soooo ..."
"Ja, ach so. Musst du gar nicht so süffisant wiederholen!"
"Und ich dachte schon, du hättest dich immer noch versteckt, hihi."
"Ich wollte nur meine Ruhe haben! Und das war hier in den letzten Tagen ja gar nicht so einfach!"
"Das stimmt wohl! Ich fand das toll! Ganz viele Leute, und alle waren ganz gespannt auf mich und haben mich gestreichelt und und gesagt, dass ich total hübsch bin und so ... Und als ich vor Moby nach drinnen geflüchtet bin und der anschließend auf die Katzenklappe eingeprügelt hat mit seinen Riesentatzen, da haben mich alle bemitleidet und sie haben Moby weggejagt! Und überall roch das so lecker und dann hab ich so ein rosa Ding zu fressen bekommen, das sooo toll nach Fisch geschmeckt hat, und überall hat Papier geknistert und sie haben Blumensträuße hingestellt mit totaaaal leckeren grünen Blättern! Und das alles nur, weil jemand von den Menschen Geburtstag hatte!"
"Aber doch keiner von unseren!"
"Naja, aber doch eine von ihren Freundinnen. Die mag ich auch, die krault mich immer und redet so ganz leise mit mir und sagt so schöne Sachen."
"Du magst aber auch jeden, der dir hin und wieder übers Fell streicht."
"Es muss sich ja nicht jeder so rar machen. Du leckst mich ja nicht, und ich selbst komm oben auf dem Kopf und zwischen den Ohren nicht ran. Da ist das schön, wenn sie mich kraulen."
"Lecken wird überschätzt. Kraulen auch."
"Das sagst du doch jetzt nur so. Wenn ich nicht da bin, dann lässt du dich von den Menschen gerne kraulen, dann legst du dich im Arbeitszimmer auf den Teppich und machst einen total langen Hals!"
"Und sobald du das mitkriegst, gehst du dazwischen!"
"Naja, weil ... nachher kraulen mich die Menschen nicht mehr, sondern nur noch dich ..."
"Wie kann man bloß so wenig Selbstbewusstsein haben."
"Du weißt ja nicht, wie das war, als ich mich ganz alleine durchschlagen musste, da in dieser Kleingartenanlage!"
"Nach den paar popeligen Monaten als Jungtier in freier Wildbahn hast du doch überhaupt keine Ahnung vom Leben draußen. Sonst wüsstest du, wieso ich mich sofort ins Arbeitszimmer geflüchtet habe, als ich die vielen Menschen gesehen habe. Menschen ist nicht immer zu trauen, kleiner Loki."
"Aber unseren doch."
"Hm. Vielleicht."
"Komm. Die tun uns nichts. Und Leute, die sie mögen, müssen auch nett sein."
"Hm. Vielleicht."
"Isso, Sherlock."

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Die Umbauten und Veränderungen und Besucher an den ersten Weihnachtstagen haben Loki und Sherlock einiges abverlangt. Loki hat sich überraschend gut geschlagen und fand es eigentlich nur spannend, dass das Haus plötzlich voller Leute war. Außerdem hat er sich von seiner echten Schokoladenseite gezeigt und auch bei der ausgedehnten Frühstücksrunde kein einziges Mal versucht, irgendetwas vom Tisch zu klauen. Sherlock hingegen tauchte angesichts der Geburtstagsrunde unter der langen Tafel durch und flitzte sofort in den Flur, die Treppe hoch und ins Arbeitszimmer, um sich aus seinem Kratzbaumnest nicht mehr herauszuwagen.
Beim Weihnachtsfrühstück heute morgen dann war Loki nach zwei Ausflügen auf den Tisch dann auch bereit, hinter seinem Menschen auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Unglaublich, wie sehr sich die beiden in dem einen Jahr bei uns verändert haben ...