2. September 2022

Nachbarschaftshilfe

Paul. "Chill mal, Alter."
 Naaa, kleiner Loki? Alles im Lack?
"Klar, Sherlock, danke der Nachfrage! Lange nicht gesehen, alter Mann!"
Hey hey ... vergiss nicht, dass du inzwischen älter bist, als ich in meiner irdischen Existenz je geworden bin.
"Echt jetzt? ... Stimmt ..."
Deswegen denke ich ja auch, du kommst inzwischen auch ganz gut ohne mich aus.
"Aber ich brauche hin und wieder doch einen Katzenkumpel zum Erzählen, Sherlock, und du hast versprochen, dass du das bleibst."
Du hättest aber doch Paul.
"Ach, hör mir auf mit dem. Mit dem rede ich nicht."
Aber bist du nicht heute Morgen ganz gelassen mit ihm im Schlepptau zu seinen Menschen geschlendert?
"Doch, das stimmt. Musste ich ja."
Wieso denn das?
"Weil meine Menschen gesagt haben, dass ich den holen soll. Pauls Menschen waren wohl ganz außer sich, weil der Blödmann die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen ist. Hatte ich mir schon gedacht, die pfeifen ja immer nach dem - und der kommt dann, wie so ein Hund, das ist doch peinlich! -, und ich habe sie immer wieder draußen auf der Straße gehört, als es dunkel war. Und morgens hat mein Mensch dann gesagt, Loki, wenn du Paul draußen siehst, sag dem, er soll sofort nach Hause gehen, seine Menschen haben furchtbar viel Angst, dass ihm was passiert ist."
Hatten unsere doch auch, bei den drei Gelegenheiten, als du verschwunden warst.
"Das ist doch wohl längst verjährt! Ich komme doch immer wieder, vor allem, seit es kurz vor der Nachtruhe immer noch was zu fressen gibt!"
Aber du lässt dich ganz schön bitten, wenn du abends reinkommen sollst.
"Weil dann der Mensch die Tube mit der Malzpaste holt, um mich reinzulocken! Da komme ich doch nicht einfach so mit, wenn ich auch Malzpaste kriegen kann!"
Die bekommst du doch auch so zur Belohnung.
"Das weißt man nie genau, Sherlock! Ich sorge lieber dafür, dass die Menschen gleich die Tube holen, da weiß ich, woran ich bin!"
Du bist echt ein Schlawiner, Kleiner. Und was war jetzt mit Paul?
"Na, ich bin raus nach dem Frühstück, die Lage peilen. Hat eine Weile gedauert, bis ich Paul gefunden habe - erst auf  meiner dritten Runde war er plötzlich auf dem schönen Grundstück mit den großen Rosenbeeten. Ich wette, er war über Nacht in dem kleinen Schuppen eingesperrt, der da steht, oder vielleicht in der Garage. Dieser Kerl kriecht doch überall rein. Neulich sind Bekannte von unseren neuen Nachbarn mit ihrem Auto losgefahren und haben erst nach einiger Zeit gemerkt, dass er hinten im Auto hockt. Sowas ist doch nicht normal."
Der ist halt sehr zutraulich.
"Der ist komplett bescheuert! Man kann doch nicht einfach zu fremden Menschen auf so kleinem Raum reinklettern, wenn man nicht einschätzen kann, ob die überhaupt nett sind! Und wenn man nicht weiß, was die vorhaben! Ich würde nicht mal zu unseren Menschen ins Auto steigen!"
Tja ...
 "Jedenfalls hab ich ihm gesagt, dass seine Leute richtig am Rad drehen und dass er mal dalli machen soll. Er hat sich dann erst mal demonstrativ geleckt und Chill mal, Alter gesagt. Wie der sich schon immer ausdrückt! Das hat er wohl aus diesem Tierheim da in Mölln! Ich bin dann jedenfalls zu Nachbars, und tatsächlich standen die beiden schon in der Tür und haben mich angesprochen. Die waren wirklich ganz verzweifelt, deshalb bin ich auch nicht gleich wieder abgehauen, sondern habe erst mal gewartet, ob Paul kommt. Und das tat er dann tatsächlich, er war brav hinter mir hergetrottet. Die Menschen haben sich richtig gefreut. Und meine haben mich auch gelobt."
Ist ja auch fair, wenn man einen Artgenossen nach Hause bringt, der eine harte Nacht hinter sich hat. Habe ich für dich auch mal gemacht, weißt du noch?
"Klar, Sherlock. Sowas vergesse ich nicht. Deswegen war ich ja auch nett zu Paul und habe ihn mal ausnahmsweise nicht verhauen. Obwohl ich echt sauer bin, weil unsere Menschen immer so mit dem rumschmusen. Der Büromensch hat ihn neulich auf dem Arm gehabt! Der lässt sich draußen in freier Wildbahn einfach so hochnehmen und bekuscheln! Ich war fassungslos!"
Naja, du willst ja nicht auf den Arm.
"Nein! Arm ist eklig! Dann geht es immer in die Box!"
Das stimmt doch gar nicht, Loki. Und draußen ja sicher schon mal gar nicht.
"Ich finde, als Kater muss man seine Würde verteidigen. Wir sind doch keine Kuscheltiere, wir sind ernstzunehmende Räuber."
Och, naja, ein bisschen Schmusen ist schon ganz schön ...
 
Loki: "Du willst mich am Bauch anfassen,
Mensch? Kannst du ja mal versuchen ..."

"Finde ich auch, so ist das nicht. Aber dann auf meinem Sessel, abends beim Fernsehen, oder auf dem Küchentisch. Das ist auch ein Super-Ort zum Schmusen. Da kann man so schön auf einer aufgeschlagenen Zeitung liegen und sich richtig ausdauernd am Kopf und am Hals und am Kinn und an den Ohren kraulen lassen. Von mir aus sogar am Bauch. Weil, manchmal muss man seinen Menschen ja auch mal ein bisschen was gönnen, und die lieben das ja so."
Isso, kleiner Loki ...