31. Januar 2021

Wintereinbruch

 
"Duuuu, Sherlock?"
Ja, kleiner Loki?
"Ich langweil mich so." 
Ja, das kann ich sehen. Nichts mehr zu tun? Bist du sogar schon mit der Fellpflege fertig?
"Jaaaa. Ich bin sogar überall zweimal drüber, Ohren, Backenbart, Bauch, Beine, Po ..."
Und zwischen den Zehen?
"Alles sauber. Willste sehen? Guck mal, ich spreize sie ganz breit ..."
Nee, glaub ich dir. Tja, und wie wär's mit einer Runde Reviercheck?
"Ihhh! Nein! Auf keinen Fall! Hast du mal rausgeguckt?"
Es liegt ein bisschen Schnee.
"Ganz genau! Dieses fiese, weiße Zeug! Ich mag das nicht! Gestern war ich draußen, das war so eklig kalt an den Füßen, man konnte überhaupt nichts riechen, bei jedem Tritt hat es ganz komisch geknirscht, meine schöne große Trinkschale war zugefroren, und die Erde war überall steinhart, man konnte überhaupt nicht schön kratzen - nein, man konnte sogar ü-ber-haupt gar nicht kratzen! Das ist doch unhygienisch, sowas!"
Ja, ich war früher auch kein so großer Fan von diesem Wetter.
"Gleich heute Morgen habe ich zu unserem Büromenschen gesagt, sie soll das wegmachen da draußen und dafür sorgen, dass man auf seiner Runde nicht so friert. Das hat sie überhaupt nicht interessiert. Sie hat sie mir bloß die Terrassentür aufgemacht und die ganze kalte Luft reingelassen! Hu! Schlimm! Ich habe mich aufs Sofa geworfen und so getan, als ob ich schlafe."
Du bist aber auch echt ein kleiner Schönwetterkater.
"Willst du mir jetzt schon wieder von deiner Zeit auf der Walz erzählen? Hör doch auf. Wenn du ein schönes Zuhause gehabt hättest, dann wärst du bei Minusgraden auch nicht freiwillig vor die Tür gegangen."
Da ist was dran. Du hast es ja schon ganz gut getroffen bei unseren beiden Menschen. 
"Eben, hier drin ist es überall schön warm, und sie haben mir ja ganz viele nette Plätze eingerichtet, nur ist eben nicht so viel los. Und die Menschen sitzen jetzt manchmal abends in der Küche statt im Wohnzimmer und hören Musik. Das finde ich ja nicht so toll, denn dann kann ich beim Büromenschen nicht auf dem Schoß liegen, weil sie nicht in unserem Schmusesessel sitzt. Aber gestern waren sie auch sehr zuvorkommend - erst habe ich mich beim Außer-Haus-Menschen zwischen Rücken und Stuhllehne gedrängelt, und irgendwann hat sie sich einen eigenen Stuhl geholt."
Sehr rücksichtsvoll. Aber das kann man als Kater auch erwarten.
"Ja, und wir haben da sehr schön zusammen gesessen. Sie haben geredet und Wein getrunken, und ich habe gedöst. Das war sehr gemütlich."
Ihr habt es also immer noch sehr nett miteinander? Und sag mal - als ich gestern nach dir Ausschau hielt, habe ich dich da etwa oben auf dem Geräteschrank auf der Terrasse sitzen sehen?
"Ja! Du, da komme ich jetzt prima rauf, weil dieser Picknicktisch wieder vorm Fenster steht - da muss ich nicht so hoch springen, nur eineinhalb Meter weit, und das bekomme ich inzwischen ganz gut hin."
Super, Kleiner, ich hab's doch immer gewusst - aus dir wird noch ein richtiger Springinsfeld. Du bist ja sogar in dem Korb rumgeklettert, in dem ich früher immer geschlafen habe.
"Der war mir zum Pennen aber zu pieksig. Dass du den mit dem ganzen Kleinholz und den Kienäppeln drin zum Schlafen bequem fandst ..."
Der war voll okay. So schön ruhig, und der Überblick war herrlich. 
"Das stimmt. Inzwischen gehe ich da öfter mal rauf und betrachte mein Reich. Das ist ja alles meins jetzt - kein anderer Kater mehr, der mir was streitig macht, das gefällt mir sehr gut so."
Das ist dann aber auch ein bisschen langweiliger.
"Hm. Ja, da ist was dran. Aber weißt du, Sherlock, lieber mal ein bisschen Langeweile als so richtig Stress."
Isso, kleiner Loki ...