20. Juni 2022

Interpretation

Als Katzenversorger neigt man ja dazu, in den Gesichtsausdruck seines Tiers etwas hineinzuinterpretieren. Graf Katz kann beispielsweise ganz großartig beleidigt aussehen, wenn man sich erdreistet, ihn zu wecken, wenn er auf dem Menschenschoß zu schlafen geruht. In den meisten Fällen sind diese Übertragungen menschlicher Gefühle auf das zufällig so niedlich aus der Wäsche guckende Raubtier wahrscheinlich meilenweit von dem entfernt, was hinter den Tasthaaren auf der Stirn wirklich so vor sich geht.

Aber gerade eben war da doch ein köstlicher Gefühlsumschwung an Lokis Miene abzulesen.


Nachmittags um vier, der Mensch kommt nach Hause. Und Lokis Blick sagt: "Huah, Gewitter und Hagel sind sowas von eklig, ich bin ein armer, kleiner Kater und will gar nicht gerne hier draußen sein, aber drinnen ist ja auch niemand  - oder etwa doch?"

Und zwei Sekunden später wandelt sich der Blick: 

"Stehst du da einfach nur rum und machst nichts? He, mir ist kalt und nass! Natürlich könnte ich durch die Klappe rein, aber die ist unter meiner Würde! Na los, mach mal die Terrassentür auf, aber bisschen pronto!"

Was sein Versorger dann natürlich sofort getan hat ...